Hochsensibel zu sein heisst, die Umwelt und ihre Reize viel differenzierter wahrzunehmen und über sein Handeln viel gründlicher nachzudenken, als die etwa 80% der Menschen, die nicht hochsensibel sind. Und das führt - gerade bei (kleinen) Kindern - schnell zu Überreizung. Um diese Überreizung zu vermeiden ziehen sich solche Kinder oft zurück, gelten als schüchtern oder scheu.
Dass Mia besonders - oder anders als andere Kinder - ist haben wir schon sehr früh gelernt.
Dass sie keinen Kinderwagen mochte und lieber getragen wurde,
dass sie immer früh dran war,
dass sie's mir (und sich) beim Schlafengehen nicht leicht gemacht hat,
dass sie mit dem Kindergarten ihre Schwierigkeiten hatte (und noch immer hat),
dass sie's nicht mag, wenn viele Leute um sie herum sind - auch (oder vor allem) nicht am Spielplatz,
das alles wissen diejenigen ja schon, die hier schon länger mitlesen (alle anderen dürfen gerne nachlesen ;) )
Mia hat aber ausserdem noch einen ausgeprägten Hang zum Perfektionismus. Sie sagt zum Beispiel selten ein Wort, das sie nicht richtig aussprechen kann. Einzig der "Mettalig" ( Schmetterling) hatte es ihr so angetan, dass sie ihn einfach beim Namen nennen musste, auch wenn's nicht ganz gepasst hat. Neue, schwierige Worte lässt sie sich einfach so lange immer und immer wieder vorsagen, bis sie jeden Vichstaben und jede Silbe genau verstanden hat und sie's richtig nachsprechen kann.
Genau so lernt sie Texte von Kinderliedern und ganze Passagen von "Winnie the Pooh" auswendig. Dabei hat sie ein enormes Gedächtnis, sie kennt unzählige Lieder, weiss genau, welche Folge "Winnie the Pooh" sie sehen möchte - nur anhand des winzigen Vorschaubildes - und weiss oft noch nach Monaten, wo sie eine Katze, eine Raupe oder einen toten Regenwurm gesehen hat.
Der Perfektionismus erstreckt sich auch auf so praktische Dinge, wie das Sauber-Werden. Auch hier hat sie so lange gewartet, bis sie's von heute auf morgen "einfach so" geschafft hat.
Und ich habe das Gefühl, dass das mit dem Schnuller- und Flascherl-Loswerden genaus so funktionieren wird : sie wird warten und immer wieder kurz probieren und erst dann alle Schnuller wegwerfen, wenn sie sicher ist, dass sie auch wirklich keinen mehr braucht.
Viel problematischer für sie sind neue Situationen. Alles, was neu und unbekannt ist, schreckt sie zuerst einmal. Wenn wir also etwas unternehmen wollen, wir Besuch (nicht nur von einem Fremden) bekommen oder essen gehen wollen, dann erzählen wir Mia spätestens einen Tag vorher davon. Das hängt natürlich davon ab, wie "gross" das bevorstehende Ereignis ist. Als zum Beispiel ein Freund von uns hier übernachtete, den Mia nur ein einziges Mal als Baby gesehen hatte, haben wir ihr das schon einige Wochen vorher erzählt. Und sie war so gut darauf vorbereitet, was passieren wird, dass sie sogar recht entpannt war und sich auf den Besuch freuen konnte!
Problematisch ist manches Mal auch ihr Temperament: sie ist eine echte Königin des Dramas:
Wenn sie zornig ist, dann mit aller Macht; man sieht förmlich die Funken aus ihren blauen Augen blitzen. Und sie kann schnell wütend werden. Oft wegen "Kleinigkeiten", die ich in diesem Moment gar nicht sehe, die für sie aber unerträglich sind. Da hilft nur, sie vorsichtig zu trösten - nur in ganz seltenen Fällen, wo ich sehen kann, dass sie eigentlich nur eine bestimmte Reaktion provozieren will, kann ich versuchen, sie "mit dem Schmäh" zu packen.
Wenn sie traurig ist, dann aus tiefster Seele; so, dass man selber traurig werden könnte. Zum Glück ist sie ein fröhliches Kind. Aber wenn andere Kinder weinen oder sie zB ein totes Tier entdeckt, dann geht ihr das sehr nahe.
Wenn sie lacht, dann mit ganzem Herzen; so ansteckend, dass man gar nicht anders kann, als mitzulachen; sie strahlt übers ganze Gesicht! Dieses Lachen entschädigt für die Wut-Anfälle; für lange Nächte, in denen ich 4, 5 Mal aufstehen musste oder in denen sie nur auf meinem Bauch geschlafen hat; für das stundenlange herumtragen, damit sie ihren Vor- und/ oder Nachmittagsschlaf halten konnte; einfach für alles.
Ich hab's schon angesprochen: Mia ist ein sehr empathisches Kind - sie merkt sofort, wenn was nicht stimmt, wenn jemand nervös, wütend oder traurig ist oder gar weint. Oder anders: heftige Emotionen anderer. Und es trifft sie noch viel mehr, wenn's Mama und Papa sind, die ihre Gefühle grad nicht im Griff haben. Besonders wichtig ist das dann, wenn wir wieder einmal in einer schwierigen Phase sind und sie mich wahnsinnig macht. Somst spielen wir uns gegenseitig hoch, die Situation gerät völlig ausser Kontrolle und zum Erfolg füjrt sowas bestimmt nicht.
Das Wichtigste also - und Schwierigste - dabei ist, möglichst ruhig zu bleiben, gerade dann, wenn sie in so einer Phase ist. Mittlerweile gelingt mir das immer besser (der Papa ist sowieso ein recht ruhiger Typ, der schafft das viel besser als ich ...), aber oft fällts mir nicht grad leicht ...
Wirklich Erfolg hat man dann, wenn man ihr erklärt, warum bestimmte Dinge verboten (andere Kinder mit Steinen bewerfen) und andere notwendig (beim Strasse-Überqueren die Hand geben) sind. Solche nachvollziehbaren Ge- und Verbote merkt sie sich richtig gut, hält sich auch (in den allermeisten Fällen dran), aber verlangt auch von uns, sich daran zu halten und fordert die Einhaltung auch sehr deutlich ein :)
Eine grosse Erleichterung und Bereicherung war und ist die Freundschaft zu M und seiner Mama. M und Mia gleichen sich in so vielen Hinsichten und es ist wirklich schön zu wissen, dass Mia nur eine von Vielen ist, die einfach sensibler sind, als andere.
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